Säugling in der Babyklappe abgelegt - Südkurier 10.01.2012
Am Sonntagabend wurde ein Neugeborenes in der Babyklappe bei der DRK-Rettungswache abgelegt. Das Kind ist wohlauf, von der Mutter fehlt jede Spur.
Fast genau ein Jahr ist es her, dass erstmals in der Singener Babyklappe ein Baby abgelegt wurde. Am Sonntagabend nun fand der Notdienst erneut ein neugeborenes Mädchen in dem Korb im großen Fach der DRK-Rettungswache nahe dem Krankenhaus in Singen. „Man kann sich nur vorstellen, wie groß die Verzweiflung der Mutter war“, erzählt Hans Teschner vom Verein ‚Widmann hilft Kindern in der Region', der die Klappe im April 2010 aufstellte, zum Teil gegen großen politischen Widerstand. „Doch auch dieser zweite Fall zeigt, dass die Entscheidung für die Klappe richtig war“, so Teschner, „denn die Mutter hat sich entschieden, ihr Kind nicht in die Mülltonne zu werfen, sondern hierher zu bringen.“ Gegner befürchteten, dass Mütter durch Klappen dazu animiert werden, ihre Kinder abzugeben. „80 Prozent der Menschen in Deutschland halten Babyklappen für sinnvoll“, hält dem Rudolf Babeck von ‚Widmann hilft Kindern in der Region' immer wieder entgegen.
Teschner und Babeck wollen verhindern, dass sich eine ähnliche Tragödie wie Anfang 2009 wiederholt: Damals war ein Neugeborenes in einer Plastiktüte bei einer Grillhütte bei Engen-Anselfingen im Wald ausgesetzt worden. Das Mädchen wurde lebend abgelegt, starb aber an Unterkühlung.
Kreisjugendamtsleiterin Sabine Senne konnte gestern keine näheren Angaben zum abgegebenen Neugeborenen machen. „Dem Kind geht's gut, aber das genaue Alter lässt sich nicht sagen“, erzählt sie, „es ist nun in unserer Obhut, bis wir eine Bereitschaftspflegefamilie finden.“ Dort wird das Baby so lange bleiben, bis eine Vermittlungsstelle Adoptiveltern gefunden hat. Das kann bis zu acht Wochen dauern. „In dieser Zeit kann die Mutter ihren Nachwuchs problemlos wieder zu sich holen“, so Senne. Danach beginnt das Adoptionsverfahren, währenddessen die Mutter immer noch die Möglichkeit hat, das Kind wieder aufzunehmen. Ist das Adoptionsverfahren abgeschlossen, ist dies nicht mehr so einfach möglich.
Hans Teschner hat gemischte Gefühle. Einerseits freute er sich sehr darüber, dass das Baby schadlos überlebte. Andererseits schüttelte er den Kopf: „Ich bin auch sehr traurig, dass es so weit kommen konnte.“ Zusammen mit Rudolf Babeck kämpft er seit einigen Jahren mit großem Engagement gegen Verarmung und Verwahrlosung von Kindern in der Region an. „Sie sind die Investition in die Zukunft“, sagt er, „da können wir nicht zusehen, wenn etwas in die falsche Richtung läuft.“ Das Wichtigste jedoch sei, dass das Kind wohlauf sei und beste Versorgung genieße. „Und dieses Wissen weckt in uns richtige Vatergefühle. Am schönsten wäre es aber, wenn sich die Mutter in den nächsten Wochen melden würde, um ihr Kind wieder zu sich zu holen.“ Das vor einem Jahr abgelegte Baby lebt mittlerweile in einer Adoptivfamilie, das Adoptionsverfahren ist laut Teschner noch nicht abgeschlossen.
Gestern gingen Teschner und Babeck zur Babyklappe, um die Wäsche zu wechseln. „Das Neugeborene wurde offensichtlich nicht fachmännisch entbunden“, so Teschner, „wir vermuten, dass die Mutter die Geburt selbst durchgeführt hat.“ Das Amt für Gesundheit und Versorgung möchte Tag und Ort der Geburt feststellen. „Ein Ablaufplan ist in Gange getreten mit dem Ziel, das Kind zu schützen“, so Senne.